„Wo geht’s denn hier zur Chefetage?“

„Wo geht’s denn hier zur Chefetage?“

„Wo geht‘s denn hier zur Chefetage?“ Ich übe diesen Satz schon seit Jahrzehnten. Ich bin bemüht, ihn mit einer selbstsicheren Betonung und mit einem souverän wirkenden Auftreten auszusprechen. Ich will ja eine zeitgemäße Frau sein. Ich übe vor dem Spiegel. Es ist nicht einfach, zumal ein lasziver Augenaufschlag dabei unbedingt unterdrückt werden sollte, während ich trotz der eingesetzten Zielstrebigkeit im Tonfall auch nichts an weiblichen Liebreiz verlieren möchte. Ich übe weiter, weil ich das Gefühl habe, dass es von mir als Frau und Mutter erwartet wird. Spaß beiseite!

Seit Jahrzehnten wird an der Baustelle „Gleichberechtigung“ gebaut. Es wurde und wird verbessert, optimiert und gerechter gestaltet. Eigentlich sollte ich dankbar sein. Ich bin es auch – wirklich – in gewisser Weise. Aber ich finde es zuweilen auch anstrengend, den Eindruck zu bekommen, dass ich all die geschaffenen Gegebenheiten und all die geebneten Wege als Frau und Mutter jetzt – bitte schön – auch in Anspruch nehmen soll.

Der zurückliegende Weltfrauentag verdeutlicht: Es wird bemängelt, dass frau nach wie vor teilzeitig beschäftigt ist; es wird festgestellt, dass Mütter nach wie vor „die Hauptlast der Betreuung“ tragen (Anmerkung der Autorin: dafür aber auch die Hauptfreude!) und zudem vermisst man frau immer noch in den sogenannten Führungspositionen.

Mich beschleicht der Gedanke, dass die sogenannte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ vielleicht doch ein politischer Trugschluss sein könnte, der –wiedermal – auf den Rücken der Frauen ausgetragen wird. Was der Weltfrauentag nicht thematisiert, ist, dass immer mehr Frauen an Burnout erkranken. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang? Selbst wenn Kinderbetreuung, Arbeitszeiten und das zur Verfügung stehende Geld sich im harmonischen Dreiklang befinden, so wird meiner Meinung nach die Kraft und Energie unterschätzt, die Mütter – und natürlich auch Väter in der Situation – dafür aufbringen müssen. Denn rückblickend aus meinem Erleben heraus handelt es sich um drei völlig unterschiedliche – ich nenne sie mal – „Kraftfelder“, die aber zeitgleich und im gleichen Maße aus meinem Energiehaushalt schöpften. Selbst bei eben erwähnten harmonischen Dreiklang.

Deshalb wünsche ich mir für kommende Weltfrauentage, dass auch auf gute Gründe aufmerksam gemacht wird, nicht „Wo geht’s denn hier zur Chefetage?“ zu fragen, sondern vielleicht „Wo geht’s denn hier zur Familie?“

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