Das Deadline-Monster

Das Deadline-Monster

Es hatte mich wieder eingeholt. Ein längst überwunden geglaubtes, listiges Monster hat mir abermals mein Maß an Disziplin vor Augen geführt. Eigentlich bin ich als Jungfraugeborene  ausgesprochen strukturverliebt und diszipliniert. Jedoch darauf bestehen oder davon auszugehen, dass diese horoskopische Weisheit einem unabänderlichen Bestandsschutz unterliegt, scheint blauäugig.

„Acht Wochen haben Sie Zeit!“ so vernahm ich den großzügig gesetzten Stichtag eines Auftraggebers.

Acht Wochen? dachte ich jubilierend mit entspannten Gesichtszüge. Acht Wochen- cool down – das bedeutete zwei Mal den Monatskalender umblättern, das bedeutete in meinem konkreten Fall sogar den Wechsel von der einen Jahreszeit in die andere. In solchen Augenblicken muss das Wort Ewigkeit ihren Ursprung gefunden haben.

Zugegeben, das war auch der Moment, in dem das Deadline-Monster sich regsam aus seinem Versteck hervortat. Denn ein Deadline-Monster ernährt sich – für alle, die es nicht wissen – von Wochen, Tagen oder auch Stunden, kurz: von Zeit! Am liebsten bio-vegan!

Aber was konnte einer Frau wie mir, mit Disziplin in der DNA schon passieren? Immerhin hatte ich acht Wochen Zeit. Das Deadline-Monster würde satt sein, ehe ich in Zeitnot gerate. Somit war es eine völlig logische Schlussfolgerung, dass ich vorerst die Erledigung anderer mehr oder minder lebensnotwendiger Dinge vorantrieb: Schuhe kaufen, Badezimmer frisch tapezieren und neu dekorieren, lesen, töpfern und Freunde treffen.

Nach fünf Wochen hatte ich den ursprünglich von mir anvisierten Abgabetermin bereits zweimal verschoben.

„Es reicht aus, wenn ich die Arbeit eine Woche vor dem genannten Stichtag abgebe!“ beruhigte ich mich. Nächste Woche fange ich an. Ganz bestimmt.

Eine Woche später, das Deadline-Monster inzwischen wohlgenährt, fand ich es irgendwie ausgesprochen legitim, in der letzten Woche vor Abgabe mit der Arbeit erst zu beginnen. Die Woche wird reichen. Das schaffe ich! Ich bin gut – ich bin schnell!

Zwei Tage vor der Deadline bekam ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Schade, dass ich noch nicht angefangen bin. Wieso kommt mir gerade jetzt in den Sinn, dass man Deadline aus dem englischen mit „Todesstreifen“ übersetzen kann? Vielleicht, weil sich die ganze Misere inzwischen für mich so anfühlte, als wandele ich auf einem solchen. (Stöhn…ausatmet)

Am letzten Tag stellte ich mir den Wecker dann ganz früh. Wenn ich um 4 Uhr morgens mit der Arbeit beginne, Duschen ausfallen lasse, mir aufputschende Getränke zur Seite stelle, etwas Obst, viel Schokolade, die Nachbarin bitte, meine Tiere zu versorgen, das Handy auf lautlos stelle, mich von der Umwelt isoliere… dann könnte es klappen.

Stunden später. Es ist 23.50 Uhr. Morgen sind acht Wochen um. Alles ist im Kasten. Das Deadline-Monster hat sich adipös in sein Versteck zurückgezogen und ich klicke geschafft aber dennoch glücklich und triumphant auf „Senden“.

Das Deadline-Monster

Inspiriert von einer Freundin, die genau das gleiche Deadline-Monster-Problem zu haben scheint, entstand diese Kolumne. Kennen Sie das? Sie haben ja noch sooooo viel Zeit und plötzlich ist DER Tag…

Mut!

Unsere diesjährige „Lange-Frauen-Radio-Nacht“ stand unter dem Motto MUT. Ich habe dazu verschiedene Stimmen eingefangen, um zu erfahren, wer, wieso und warum mutig war. Entstanden ist ein vielfältiges und ebenso beeindruckendes Potpourri.

Wäscheleinenblues

Zugegeben – diese Kolumne ist nicht aktuell, aber ich habe sie noch nicht mit „meinem“ Intro vertont. Tatsächlich habe ich sie geschrieben, als die Wäscheleine noch mit den Kleidungsstücken meiner Töchter bestückt war. Auch das ist inzwischen Vergangenheit…

Ich will nicht jammern

Ich will nicht jammern

Wenn mir der frisch aufgebrühte Kaffee, wozu ich den alten weißen Keramikfilter meiner längst verstorbenen Oma nutze, nicht schmeckt, dann weiß ich: Ich bin krank!

Ich will nicht jammern, aber

… meine satte Frühjahrs-Erkältung war bereits völlig abgeklungen und am Alltag nahm ich längst wieder rege teil. Aber schon nach wenigen Wochen kam alles wieder – als hätte ich ein Abo abgeschlossen: Halskratzen, Kopfschmerzen, Nase dicht und Hustenanfälle bis zum Würgereiz.

Also richte ich erneut mein Krankenlager am Sofa ein. Alle für mich wichtigen Dinge gut erreichbar um mich herum drapiert und trotzdem den freien Blick zum Fernseher erhalten. Das gleicht je nach Tischgröße, die einem am Sofa zur Verfügung steht, einer logistischen Herausforderung. Aber: Ich bin inzwischen in Übung und habe auch diesmal alles auf ein praktisches Handling hin sinnvoll ausklamüstert:

Die Fernbedienungen und die DVD-Staffeln von „Unsere kleine Farm“ liegen links auf dem Tisch. Ein Buch, das würde für mich sprechen und sich auch in gewisser Weise gebildet anhören, aber in Wahrheit ist mir das Lesen mit Erkältungssymptomen viel zu anstrengend. Die Wasserflasche, ein Glas und meinen Tee ganz rechts. Vielleicht sollte ich meinen Tee anstatt mit Honig mit Rum trinken? Nicht, dass mich das gesünder machen würde. Aber die Erkältung würde mir vielleicht mehr Spaß machen? Zumindest nach dem vierten Tee.

Ich will nicht jammern.

Die Nasentropfen, die Halsschmerztabletten, die Taschentücher, die Nüsse für den kleinen Hunger und das Telefon verteilen sich zwischen DVDs und Getränke. Ebenso wie die Schüssel mit dem Wasser mit Zwecktemperatur: heißes Wasser mit einem Tropfen Eukalyptusöl fürs Inhalieren – kaltes Wasser bei Fieber. Fehlen darf auch die Heilcreme nicht, die die vom ständigen Naseausschnauben geschundene Haut wieder regenerieren soll. Zudem muss eine kleine Fläche auf dem Tisch frei bleiben. Diese füllt sich mit der Zeit ganz von allein durch benutzte Taschentücher. Aber wie gesagt: Ich will nicht jammern.

So erreiche ich, dass ich kaum mehr für irgendetwas aufstehen muss. Das ist gut so, denn liegend genese ich am besten. Das weiß ich noch vom letzten Mal. Noch schlimmer als aufstehen zu müssen während der Erkältung ist es, sich bücken zu müssen. Dann schießt ein pulsierender Schmerz in die Stirn, der sich gewaschen hat. Jeder sollte sich vor dem nächsten Bücken eine Liste machen, auf der alles steht, was man in dieser Haltung erledigen kann, nur damit man sich kein zweites Mal bücken muss. Ich weiß inzwischen, wovon ich rede.

Aber ich will ja nicht jammern.

Das Großhirn allerdings will von meinem Ruhelager nichts wissen: „Der Kopf ist doch auf dem Hals, also kannst du auch zur Arbeit und musst nicht mit „Unsere kleine Farm“ deine Seele streicheln!“

Großhirn, du kannst mich mal kreuzweise. Ich will weder im Himmel einen Platz neben meinem Chef, noch einen Orden oder ein Pokal verliehen bekommen für ein tapferes „Krank-zur-Arbeit-schleppen“. Auch möchte ich meine Kollegen ungern anstecken und schon gar nicht muss ich einem geschätzten Menschen, mit dem ich noch mein ganzes Leben lang vereint sein werde, etwas beweisen: nämlich mir selbst!